Manche von euch erinnern sich vielleicht an die Androhung, auf diesem Blog auch über meine Hobbies schreiben zu wollen. Genau wie beim Schreiben von Büchern ist auch hier mein wesentlicher Antrieb, andere Menschen an meinen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen teilhaben zu lassen. Empfehlungen zu meinen liebsten Spielen und Musikalben zu geben, erscheint mir als gleichzeitig unterhaltsame wie nützliche Zielsetzung. Zudem sind es zwei Themenfelder auf denen ich über eine gewisse Expertise verfüge, was ich nun wirklich nicht oft behaupten kann.
Spiele machen bereits seit langem einen großen Teil meiner Freizeitgestaltung aus. Egal ob Sammelkartenspiele, Gesellschaftsspiele, Tabletops oder Videospiele. Ein wesentlicher Teil ihrer Faszination besteht für mich in ihrer Vielseitigkeit. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem ich nicht in den Bann einer ganz neuen Idee gezogen werde. Manche von ihnen möchte ich euch auf diesem Blog vorstellen, sie euch leichter zugänglich machen und mich mit euch darüber austauschen.
Um die Spiele-Empfehlungen übersichtlich zu gestalten, führe ich ein eigenes Bewertungssystem ein. Am Ende jedes Beitrags werde ich jedem Spiel eine Punktzahl geben, die sich aus den folgenden Kriterien zusammensetzt:
Story&Thematik
Artwork&Material
Spielfluss
Wiederspielbarkeit
Interaktion
Sechs Stufen pro Kriterium erscheinen mir ausreichend trennscharf, sodass die maximale Punktzahl bei dreißig liegen wird. Natürlich gibt es weitere Kriterien (wie z.B. Preis, Einsteigerfreundlichkeit oder Spieldauer), die man zur Bewertung heranziehen könnte, doch diese haben in der Regel keinen nennenswerten Einfluss auf mein Spielerlebnis und ich möchte die Bewertung überdies nicht zu kompliziert gestalten.
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Es mag unter meinen Lesern auch solche geben, die für keines der beiden Themen etwas übrig haben oder deren Geschmack von dem meinen so substanziell abweicht, dass sie mit meinen Empfehlungen so gar nichts anfangen können. Bei all jenen möchte ich mich vorab für den irrelevanten Content entschuldigen. Möget ihr im nächsten Leben mit einem besseren Geschmack gesegnet werden (: Letztlich sei angemerkt, dass Spiele generell derselben Subjektivität unterliegen, die auch in der Literatur vorherrscht. Selbst für die beliebtesten und erfolgreichsten Werke gibt es Kritiker, die ihnen ablehnend gegenüberstehen. Und das ist auch gut so.
Nun also zur Qual der Wahl. Welches Spiel sollte den Anfang machen? Auf diese Frage spuckte mein Gehirn gleich eine Reihe von Titeln aus und brachte für jedes noch schnell einige schlagkräftige Argumente vor. Als ich meinem ersten Impuls folgte und die Spitzenkandidaten auf meinem Schreibtisch stapelte, fiel mein Blick auf einen ganz besonderen Spielekarton. Nicht etwa weil dieser ansprechender gestaltet war als die anderen, sondern weil er von zweierlei Sorten Tape zusammengehalten wurde.
In dieser schwer in Mitleidenschaft gezogenen Hülle steckt Seasons, das ich inzwischen an die hundert Mal gespielt habe. Es ist das einzige Spiel in meiner Sammlung von dem ich das ohne Übertreibung behaupten kann.
Seasons ist im Wesentlichen ein Kartenspiel, das mit beeindruckender strategischer Tiefe und schier unbegrenzter Wiederspielbarkeit besticht. Und sollte das Grundspiel doch irgendwann einmal etwas fad werden, bringen zwei gelungene Erweiterungen nahezu grenzenlose Abwechslung.
Das Spiel beginnt in seiner Standardvariante stets damit, dass an jeden Spieler neun Karten ausgeteilt werden. Jeder wählt eine dieser Karten aus und gibt die Übrigen an seinen linken Sitznachbarn weiter. Von rechts erhält man dementsprechend acht Karten, von denen man wiederum eine auswählt, bevor man den Rest weiterreicht. So geht es weiter, bis alle Karten verteilt sind. In dieser ersten Spielphase legt jeder Spieler somit den Grundstein für seine Strategie.
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Je besser die ausgewählten Karten miteinander harmonieren, desto größer sind die Chancen auf den Sieg. Auch wenn einige Karten auf den ersten Blick mächtiger erscheinen als andere, sind es häufig die unscheinbaren Effekte, denen im Zusammenspiel mit anderen Karten das größte Potenzial innewohnt.
Im Spielverlauf versuchen die Spieler nun, möglichst viele Karten auszulegen und diese so miteinander zu kombinieren, dass am Ende die meisten Punkte herauskommen. Den Möglichkeiten sind dabei keine Grenzen gesetzt und ich entdecke selbst heute noch neue Interaktionen, die mir jahrelang verborgen geblieben sind. Aufgelockert wird das ganze durch das Konzept der vier Jahreszeiten, in denen unterschiedliche Energien gewonnen werden können. Diese verwendet man entweder als Bezahlung für Karten und deren Aktionen oder wandelt sie direkt in Siegpunkte um. Während das Hauptaugenmerk nicht auf Interaktionen zwischen Spielern liegt, kann man von einem Gegner durchaus zu einem ungünstigen Zeitpunkt gezwungen werden, eine seiner Karten abzulegen oder ihm Zugang zu den Fähigkeiten einer bereits ausgespielten Karte zu gewähren.
Der Spielfluss ist recht flott – kann jedoch stellenweise durch besonders umfangreiche Spielzüge etwas leiden. So kommt es zum Beispiel vor, dass erfahrenere Spieler über mehrere Runden hinweg still vor sich hinmurmelnd Energie ansammeln, um irgendwann einen wahren Kartensturm zu entfesseln. Solch ein Manöver kann gut und gerne zwei bis drei Minuten in Anspruch nehmen, während der die Mitspieler staunend und bangend zugleich auf ihre Sitze gefesselt werden. Solche Züge machen jedoch einen wesentlichen Reiz des Spiels aus und ich verspreche für solche Momente ein Hochgefühl, dass kaum ein anderes Spiel hervorrufen kann.
Gerade in den ersten Partien oder bei Beteiligung eines Einsteigers kann Seasons einem durchaus langatmig erscheinen, aber dafür kenne ich praktisch kein Spiel mit ähnlicher strategischer Tiefe, dessen Grundlagen Neulingen so leicht zu erklären ist. Insgesamt gibt es wenige Glücksmomente, sodass im Regelfall der Spieler mit der besten Strategie gewinnt – ein Merkmal, das man in meinem Spieleschrank als größten gemeinsamen Nenner bezeichnen könnte.
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Das Artwork von Seasons ist ebenso bunt wie verspielt und wird so manchem Fantasy-Enthusiasten zunächst ein verwundertes Kopfschütteln entlocken. Ich für meinen Teil habe die Andersartigkeit jedoch schnell zu schätzen gelernt. Die Stilistik ist über alle Illustrationen und das gesamte Spielmaterial hinweg konsistent und verdeutlicht auf eine erfrischende Art und Weise, dass es außerhalb der bekannten Grenzen noch andere faszinierende Bereiche des Fantasygenres zu entdecken gibt. In diesem Fall eine Welt voll magischer Gegenstände und außergewöhnlichen Gefährten, die ganz ohne Epik und Ernsthaftigkeit auskommt.
Kommen wir zum Fazit:
Name: Seasons
Typ: Wettkampf
Story&Thematik: 4
Artwork&Material: 6
Spielfluss: 5
Wiederspielbarkeit: 6
Interaktion: 2
Gesamt: 23 von 30
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